2015-10-04

Die Trainierbaren

Drei Spiele unter André Schubert, drei Siege: Borussia ist wieder da! Wer mir das vor zwei Wochen gesagt hätte, hätte von mir nur ein ungläubiges Kopfschütteln geernet.
Eigentlich ist die Sache nach dieser Zwischenbilanz damit ja klar: Macht den Mann einfach zum Cheftrainer! Die ersten Facebookgruppen mit dieser Forderung gibt es ja bereits, Bild, Express und viele andere Medien werden in den nächsten Wochen über nichts anderes so vehement berichten wie über den märchenhaften  Erwecker unseres Team aus dem Favre-Schlaf und die - für Außenstehende - logische Konsequenz daraus.
Aber ich bin da vorsichtig, ich bin in dieser Hinsicht ein gebranntes Kind. So sehr ich die Arbeit von Lucien Favre über die Jahre schätzen gelernt habe, so wenig war ich im Winter 2011 bei seiner Verpflichtung davon überzeugt, dass er der richtige Mann für den Abstiegskampf sein würde. Ich war überzeugt, Max Eberl hatte die Saison abgehakt und plante schon für die zweite Liga.


Aber es kam anders, und die Konstante im Verein ist eben jener Max Eberl, der in den vergangenen Jahren ziemlich viele richtige Entscheidungen getroffen hat. Diese Entscheidungen, das haben wir gelernt, sind auch meist lange vorher eingefädelt oder vorbereitet worden. Man denke an den schon legendären Besuch Eberls bei Lucien Favre, als sich niemand für den bei Hertha gescheiterten Schweizer interessierte und er noch lange keinen neuen Trainer brauchte. Viele gelungene Spielertransfers der vergangenen Jahre wurden offensichtlich ebenso frühzeitig "angebahnt".

Und das hat durchaus etwas damit zu tun, was nun in Sachen Trainerverpflichtung passiert. Dass Borussia einen solch unaufgeregten, erfahrenen Interimstrainer einfach nur aus einer anderen Abteilung hochziehen muss, spricht für sich. Man sieht, da wird langfristig gearbeitet und nicht nur an der ersten Mannschaft gefeilt. In Borussias Unterbau gibt es mit Schubert und Arie van Lent gleich zwei bundesligaerfahrene Trainer. Das ist, wenn man mich fragt, kein Zufall.
Ob das nun in weiser Voraussicht passiert ist, für den Fall. dass der bisweilen zaudernde Favre irgendwann wirklich zurücktreten würde. Oder ob es einfach der Versuch ist, den stets betonten Weg, eigene Talente zu entwickeln, konsequent und mit dem besten Personal fortzusetzen, weiß ich natürlich nicht.
Das Vertrauen, was Schubert aber von der ersten Minute an vom Verein ausgesprochen wurde, zeigt, dass man dort wusste, was man tut. Es ist ja einfach, jetzt Schubert auch als Cheftrainer zu fordern. Ob er aber auf Dauer funktionieren würde, ist unklar. Das gilt auch für die Frage, ob er sich selbst den Stress der Bundesliga wirklich dauerhaft antun will.  Möglicherweise ist er ja gerade aus diesem Grund vor der Saison als U23-Trainer ins zweite Glied gerückt. Anders als vor einigen Jahren bei Jupp Heynckes. Da wurde im Winter der aufstrebende Zweitligattrainer Jos Luhukay als Co-Trainer installiert. Spätestens da konnte sich jeder ausrechnen, wie das enden würde.
Die derzeitige Situation eröffnet Max Eberl alle Optionen: Er kann in Ruhe einen neuen Trainer suchen, ohne dass er auf die derzeit verfügbaren "Feuerwehrmänner" festgelegt ist. Der Interimstrainer kann seinerseits frei von allem Erfolgsdruck arbeiten. Und am Ende bleibt Eberl auch noch die dritte Option, zu sagen: André Schubert hat uns überzeugt, er soll bleiben. Bis jetzt gibt es jedenfalls keinen Grund zur Eile bei der Trainerentscheidung.  

Ach ja, da war ja auch noch ein Spiel gestern. Dazu muss gar nicht so viel gesagt werden. Es war einfach eine überzeugende Leistung, diesmal über die gesamte Spielzeit. Das war der Favre-Fußball, den wir kennen, nur deutlich mutiger und mit grandiosem Einsatz. Das scheint genau das Puzzleteil zu sein, was der Mannschaft zuvor gefehlt hat. Denn die Gegner hatten die Passverschiebemaschine des VfL inzwischen gut im Griff, vor allem wenn sie so mühevoll und langsam daher kam wie in den letzten Spielen unter Lucien Favre.
Auffällig war zu sehen, wie Lars Stindl sich auf der offensiveren Position aus der Krise gespielt hat, dass neben ihm auch Raffael wieder zu alter Form findet und wie abgezockt Mo Dahoud seine ersten Spiele absolviert hat (auch wenn er gestern etwas müde wirkte).
Natürlich war uns gestern auch das Glück hold. Bei Nordtveits mutigem und optimistischen, aber doch etwas verunglückten Schuss zum 1:0. Und in einigen Szenen zuvor auch. Hätte es bei Schürrles Auftritt im Strafraum den fast schon obligatorischen Elfmeter gegen uns gegeben, wäre das Spiel wohl anders verlaufen. Auch Xhaka hatte in der einen oder anderen Szene (auch einmal im Strafraum gegen Schürrle) Glück - dass er immer wieder das Bein stehenließ, wenn er im Zweikampf zu spät kam, hatte diesmal für ihn keine dramatischeren Folgen.

Und um die 60. Minute herum hätte das Spiel durchaus kippen können, als die sichtbar müder werdenden Borussen doch einige Schludrigkeiten im Spiel zeigten. Ein besserer Gegner als Wolfsburg es gestern war, hätte das vermutlich ausgenutzt. Insofern waren auch die Auswechslungen goldrichtig, denn Johnson und Dahoud hatten in den Spielen zuvor doch ein ziemliches Pensum abgespult. Und sie brachten die Borussen wieder zurück in den Modus "aufopferungsvoller Kampf", der schließlich belohnt wurde. In die Karten spielte uns auch, dass Dieter Hecking sein Team in der Offensive sicherlich mit Schürrle und dem unauffälligen Kruse nicht optimal aufgestellt hatte.

Es bleibt das gute Gefühl, dass nicht nur Mannschaften aus der unteren Tabellenregion wie Stuttgart und Augsburg geschlagen wurden, sondern mit Wolfsburg auch ein nominelles Topteam. Und das auch ohne Stammkräfte wie Sommer (Sippel war ein prima Ersatz), Jantschke und Stranzl. Zusammen mit der Leistung gegen Manchester lässt das wieder optimistisch nach vorne blicken, wenngleich es zu früh wäre, schon wieder nach oben zu schielen. So schnell lassen sich fünf Niederlagen dann auch nicht reparieren. Dennoch ist es fast schade, dass jetzt schon wieder Länderspielpause ist. Vor der letzten hofften wir, dass sich die Mannschaft über die Trainingseinheiten ein bisschen stabilisiert. Jetzt gilt es, den gewonnenen Schwung nicht zu verlieren.

Bundesliga 2015/16, 8. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - VfL Wolfsburg 2:0 (3.10.15)
(Tore für Borussia: 1:0 Nordtveit, 2:0 Traoré)

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