2016-04-15

Blamiert

Wer den Sieg in einem Bundesligaspiel  mehr "will", wer mehr läuft und kämpft, gewinnt nicht immer, aber doch meistens. So war es auch am Freitagabend in Hannover. Und Borussias Spieler stehen einmal mehr als Auswärtsdeppen da. Ganz überraschend kommt das nicht, nur wenige Tage nach dem unbefriedigenden Gekicke in Ingolstadt.
Dennoch ging es in dieser Woche selten um den fehlenden Plan B im Spiel, der den VfL doch so auffällig an den Audistädtern hatte abprallen und scheitern lassen. Stattdessen "versprach" der wiedergenesene Raffael den Fans die Champions-League-Qualifikation und Lars Stindl überlegte schon öffentlich, wie er bei einem Torerfolg gegen seinen Ex-Club zu jubeln gedachte. Es ging ja nur gegen den abgeschlagenen und somit halbabgestiegenen Tabellenletzten. Wenn man Sprüche macht, dann muss man sich aber auch ziemlich sicher sein, dass man am Tag der Wahrheit auch ein gutes Spiel zeigt. Sonst blamiert man sich bis auf die Knochen. Und das war das, was Borussias Spieler in der Hannoverschen Arena heute getan haben.

Es gibt nichts schönzureden, es helfen keine Entschuldigungen, keine Ausreden, auch nicht das Lamentieren über das wiederholte Pech durch den im Weg stehenden Schiedsrichter oder unglücklich zum Gegner abgefälschte Bälle in den entscheidenden Gegentor-Szenen.
Das heute war vielleicht sogar das schwächste Saisonspiel des VfL, die Niederlage ohne Frage hochverdient. Erklärungen gibt es dafür, dass der Borussenmotor jetzt schon im zweiten Spiel hintereinander ins Stottern geriet, dennoch. Mut machen diese allerdings auch nicht. Eine Erklärung hängt mit den Personalien zusammen. Da Granit Xhaka gesperrt war und sich Tony Jantschke erneut verletzte, musst André Schubert anders aufstellen als er es sonst vielleicht getan hätte. Nach Jantschkes Ausfall setzte er auf Martin Stranzl und nicht auf Martin Hinteregger, folglich musste er Nordtveit in der Innenverteidigung lassen, anstatt ihn - wie eigentlich zu erwarten - neben Dahoud  auf die Sechserposition vorzuziehen. Warum? Weil die Rechtsfüße Stranzl und Christensen kein harmonisches Duo bilden. Beide fremdeln mit der linken Innenverteidigerposition.

Leider war das im doppelten Sinn eine falsche Entscheidung. Christensen lief nicht nur deutlich weniger als es Xhaka tut, er bot sich auch nicht so gut an wie der Schweizer und ließ sich auch nur selten zurückfallen, um den von Hannovers Stürmern früh angegriffenen Abwehrspielern als sichere Anspiel- und Aufbaustation dienen zu können. Er spielte kaum brauchbare Pässe im Spiel nach vorn, verlor dafür im Mittelfeld ungewohnt viele Zweikämpfe, darunter auch zwei entscheidende vor dem 0:1. Routinier Havard Nordtveit wiederum zeigte auf der von ihm gewünschten Lieblingsposition einmal mehr, dass er dort kein Spitzenspieler und auch kein Leader ist. Zusammen mit der Tatsache, dass Mo Dahoud wie schon in Ingolstadt schwächelte, dass Fabian Johnson seiner Bestform ebenso hinterherläuft wie der offensiv wirkungslose Oscar Wendt und Thorgan Hazard sich in Zweikämpfen aufrieb statt spielerische Akzente zu setzen, sind das keine guten Aussichten für die noch ausstehenden Partien.
Enttäuschend zudem, dass es bei Rückstand offenbar derzeit keinen gibt, der das Team mitreißen kann und wieder in die Spur bringt. Zwar brachten die Einwechslungen von Traoré und Herrmann nochmal etwas Bewegung ins zähe Angriffspiel, indem die zentralen Ballverteiler Stindl und Raffael fast über die gesamte Spielzeit effektiv aus dem Spiel genommen waren. Doch auch danach kamen die Borussen nicht darauf, dass sie konsequent die Flügel hätten bespielen müssen, wenn ihnen in der Mitte der Raum genommen wird. Hazard und Johnson zogen wie später Traoré  und Herrmann immer wieder zu früh nach innen. Auch die Außen Wendt und Elvedi, später auch Johnson als rechter Verteidiger, stießen eigentlich nie in die freien Räume an den Seitenlinien vor - ein deutlicher Unterschied zu anderen, erfolgreicheren Phasen in dieser Saison.

Alles in allem hat mir bei Raffael und Co. heute auch zum ersten Mal der absolute Siegeswille gefehlt. Der kontrolliert-zurückhaltende, man kann auch sagen träge bis biedere Auftritt in der ersten Halbzeit war wie ein Aufputschmittel für die 96er, die ja ohne großen Druck aufspielen konnten. Wenn ich aber ernsthaft um europäische Startplätze mitspielen will, muss ich beim Tabellenletzten von Anfang an mit viel mehr Power und Ernst ins Spiel gehen, Druck aufbauen und die keineswegs sichere Mannschaft zu Fehlern zwingen. Ich muss mir Respekt verschaffen und mit guter Zweikampfführung und dem konsequenten Gewinnen von "zweiten Bällen" beim Gegner für Panik vor der nächsten Angriffswelle sorgen. Nichts davon war für mich heute zu erkennen, und das ist in der Bundesliga für alles zu wenig.
Von der Champions League redet hoffentlich jetzt endgültig keiner mehr, denn es wird schwer genug, mit Spielen gegen Hoffenheim und Leverkusen sowie in München und Darmstadt auch nur die Euro-League-Quali zu erreichen - es sei denn, die anderen Teams stellen sich noch dämlicher an als Borussia. Doch damit ist kaum zu rechnen.

Bundesliga 2015/16, 30. Spieltag: Hannover 96 - Borussia Mönchengladbach 2:0 (15.4.16)

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