2016-04-09

Eingewickelt

Was für ein ernüchternder Nachmittag, und das fast mit Ansage. Nach dem 5:0 gegen Hertha ging es die Woche über natürlich wieder fast nur noch um Platz drei und die Champions League. Und am Samstag zeigt uns der biedere, aber geschickte Aufsteiger die gewohnten Auswärtsgrenzen auf. Wieder eine Chance verpasst, die lauernde Konkurrenz auf Abstand zu halten. Herzlich willkommen zurück auf dem Boden der Tatsachen.

Null Punkte gab es auch diesmal in der Fremde, daran ist man ja schon fast gewöhnt. Doch dieses Spiel war anders. Es ist schon eine Weile her, dass man sagen musste: Gladbach hat ein Auswärtsspiel verdient verloren. Doch heute war es soweit. Der VfL fand zu keinem Zeitpunkt zu seinem (Kombinations-)Spiel, es gelang nur ganz selten, aus der eigenen Abwehr mal einen schnellen Angriff über zwei, drei Stationen zu starten, geschweige denn überhaupt vernünftig aus der eigenen Abwehr herauszuspielen. Meist blieben schon die ersten Pässe noch in der eigenen Hälfte im Ingolstädter Pressing-Treibsand stecken. Und wenn man gegen die unangenehmen Gastgeber doch mal in eine gute Position kam, war alles insgesamt zu langsam, zu kompliziert, die Pässe fehlerhaft. Das Borussen-Mittel der Qual waren, da die Ingolstädter Zähigkeit in den Zweikämpfen ein Tiki-Taka erfolgreich verhinderte, oft nach vorne gedroschene Bälle. Die kamen häufig auch noch von Yann Sommer, der in Gladbach leider bisher nicht sonderlich als Spielgestalter aufgefallen ist.
Der eigenen Stärken, des passsicheren, leichtfüßigen Kombinationsfußballs beraubt, besann man sich alternativ also zunehmend auf Urzeitfußball - Schlag nach vorn und hinterher. Das wiederum war nicht geeignet, den Ingolstädter Verteidigern Sorgenfalten auf die Stirn zu tackern, weil sie gegen Stindl, Hazard und Hahn ohne Mühe fast jeden Ball abräumten. Borussia fehlten ohne Raffael und mit dem zwar laufstarken, aber wenig kombinationsfreudigen André Hahn die Mittel, die enge Defensivstaffelung der Gastgeber zu knacken. Erst nach Herrmanns später Einwechslung gab es etwas mehr Bewegung und die späte Chance zum Ausgleich.

Ok, es gab auch früher schon zwei, drei gute Tormöglichkeiten, doch die Chancen der Ingolstädter waren häufiger und besser. Das Konzept von Schanzer-Trainer Hasenhüttl ging also auf: Genau da wollten sie die Gladbacher haben, das gelang ihnen zum zweiten Mal in dieser Saison und diesmal auch mit weniger Theater, Provokation und Tret-/Kratz-/Beißkunst.
Man muss natürlich respektieren, wie eine kaum verstärkte Zweitligamannschaft so früh den Klassenerhalt in der Bundesliga perfekt macht und dass sie mit Einsatz vieles wettmachen kann, was ihr spielerisch zu anderen Teams fehlt. Doch gratulieren will ich Ingolstadt dazu nicht, denn ich möchte diesen zu Zweikampf-Kleinholz gehackten Fußball nicht sehen, er macht einfach keinen Spaß. Da argumentiere ich vielleicht etwas von oben herab, aber ich mag saubere, auch knackige Zweikämpfe und ansehnlichen Fußball lieber.
Ich kann auch nicht verstehen, warum dies von Schiedsrichtern auch noch durch eine besonders laxe Art, das Spiel zu leiten, unterstützt wird. Es war im Hinspiel ein Witz, dass Xhaka vom Platz flog und Ingolstadt das Spiel zu elft beendete. Und es war heute eine Ungerechtigkeit, dass Xhaka eine (gerechtfertigte) gelbe Karte sah, der Ingolstädter Roger dagegen trotz dreier gelbwürdiger Fouls in der ersten Hälfte das Spiel ohne Verwarnung verließ. Sicher, das war heute nicht spielentscheidend, auch wenn durch die frühe Auswechslung Xhakas in der restlichen Spielzeit vielleicht eine Portion "dagegenhalten" fehlte. Dennoch benachteiligt ein Schiedsrichter, der eine mit harten Zweikämpfen, aber auch vielen versteckten Fouls von hinten, von Festhalten und Schubsen geprägte Partie großzügig weiterlaufen lässt, grundsätzlich die technisch bessere Mannschaft.

Der "Auswärtsfluch" bleibt also bestehen. Und wenn man sich die Saison so ansieht, wäre es auch nicht angemessen, mit dieser erbärmlichen Bilanz auf fremden Plätzen auf einem Champions-League-Platz stehen zu wollen. Doch die Schwächen der anderen machten es möglich, wenn man sich nicht immer wieder selbst im Weg stünde. Heute wäre Borussia eigentlich dran gewesen, auch mal ein Grotten-Spiel durch irgendein Gurkentor zu gewinnen. Doch nicht einmal darauf kann man sich verlassen. Selbst den einen Punkt, dem sich die zusehends verzweifelteren VfL-Spieler schon Mitte der zweiten Halbzeit sichtlich entgegen sehnten, war nicht vergönnt.
Bleibt die Frage: Hat der Trainer einen Anteil an dieser Niederlage? Es ist zumindest zu fragen, welcher Plan für das Spiel eigentlich bestand. Letztlich spielte der Gegner genauso wie im Hinspiel, darauf musste man sich einstellen können. Dass Ingolstadt dennoch das Gladbacher Spiel ein weiteres Mal so effektiv torpedieren konnte, und nach Spielanteilen und Chancen dabei sogar noch eine bessere Figur machte als im Hinspiel, überrascht mich schon.
Dahoud und auch die Flügelspieler wurden fast völlig ihrer Wirkung beraubt, Xhaka letztlich erneut aus dem Spiel genommen. Dass man den Schweizer vor einem erneuten Platzverweis schützen wollte, der aus meiner Sicht aber nicht unbedingt absehbar war: ok. Dass man Dahoud früh rausnahm, vielleicht um nicht auch noch dessen 5. gelbe Karte und somit die Sperre beider Sechser für das Spiel gegen Hannover zu riskieren: auch ok. Doch ein Plan B gegen das allseits bekannte Ingolstädter Spiel war zu keinem Zeitpunkt erkennbar. Mal ein langer Ball nach vorn, um wie bei Hahns Großchance die Abwehr zu überspielen, das leuchtet ein. Gegenhalten und sich auf eigene gewachsene Stärken besinnen, das Selbstvertrauen nutzen, alles gut und schön. Aber das kann ja nicht alles gewesen sein.
Es war irgendwie wie beim Schnick-Schnack-Schnuck (Schere - Stein - Papier): Der Stein ist ein treffliches Werkzeug, doch heute wurde er vom Ingolstädter Papier eingewickelt und entschärft. Die Schere, die das Papier zerschneiden würde, hatte Borussia heute nicht dabei. Wenn man die Chance nutzen will, nächste Saison europäisch antreten zu können, muss taktisch mehr kommen - je nach Notwendigkeit Stein, Schere oder Papier. Und man muss auch schwierige Spiele nicht schön, aber erfolgreich über die Bühne bringen können. Gerade gegen Gegner, die einem die nötigen Räume zum leichten Kombinieren nicht lassen.

Bundesliga 2015/16, 29. Spieltag: FC Ingolstadt - Borussia Mönchengladbach 1:0 (9.4.16)

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