2017-02-26

Handspiel, kein Handspiel

Drei Tage nach der Europapokal-Nacht war heute wieder grauer Ligaalltag angesagt. Umso schöner, dass auch der Ausflug in die Audistadt mit drei Punkten im Rucksack endete - Ausfährtsfahrer erleben im Moment ja wahre Höhenflüge.
Das Spiel selbst war nicht halbsogut wie es der eine oder andere am Ende gesehen haben wollte. Es war ein überaus fehlerhaftes Gekicke beider Seiten, bei dem Borussia ein kleines bisschen präziser war. 
Statt spielerischer Klasse stand vor allem heute die Kompaktheit der Hecking-Truppe im Mittelpunkt. Es war der Schlüssel zum Sieg. Viele, viele Zweikämpfe wurden in der Abwehr gewonnen. Die Viererkette mit dem Turm Vestergaard, dem eleganten Bälleablaufer Christensen, dem Fighter Jantschke und einem wieder bärenstarken Oscar Wendt zeigte sich vor allem mit fortschreitender Spielzeit immer besser gewappnet in den 1-gegen-1-Duellen. Doch so regelmäßig wie die ersten Bälle da gewonnen wurden, blieben die zweiten Bälle eine Beute der Gastgeber. So ist aus dem Spiel wenig Produktives im Gedächtnis zu behalten. Und das war auch mal in Ordnung so.
Ein typisches 0:0-Spiel also, oder eins für einen Lucky Punch. Es war die Art Spiel, das man nach Schlusspfiff abhakt und in wenigen Wochen vergessen hat. Eine Szene allerdings wird dafür sorgen, dass es in Fußballdeutschland zumindest in der kommenden Woche kein wichtigeres Thema geben wird als dieses Spiel. 

Das 1:0 durch Lars Stindl wirft natürlich Fragen auf und es lässt viele Deutungen zu. Das ist nicht gut für ein an sich einfaches Spiel wie Fußball. 
Zuallererst: Bei allem verständlichen Unverständnis - die Regelauslegung ist prinzipiell klar. Die Schiedrichterexperten von Collinas Erben posteten noch während des Spiels die gültige Vorgabe des DFB, wonach kein Handspiel vorliegt, wenn der Ball von einem anderen Körperteil an die Hand springt. Insofern war die Entscheidung, das Tor anzuerkennen, korrekt. Denn so klar wie die Tatsache, dass der Ball von der Hand Stindls ins Tor ging ist, dass der von Matip aus vielleicht eineinhalb Metern Entfernung verlängerte Ball Stindl zunächst gegen die Brust sprang. Eine aktive, unnatürliche Bewegung des Arms ist auch nicht zu verzeichnen.


Da ich aber ein Gerechtigkeitsfanatiker bin, kann ich mit solchen realitätsfremden Dingen nur schlecht umgehen. Ich stehe oft auf Kriegsfuß mit der absurden und interpretierbaren Handspielregel, die sich im Fußball inzwischen entwickelt hat. Es gabschließlich auch schon genug merkwürdige Elfmeter gegen und für uns, über die man stundenlang diskutieren konnte. Ich hätte es deswegen für normal empfunden, wenn der Treffer nicht gezählt hätte: weil ein klares Handspiel vorlag und der Treffer anders nicht zu erzielen gewesen wäre. 
Genauso wäre es ja, wenn ein Abwehrspieler auf der Linie etwa am Oberschenkel angeschossen würde und der Ball anschließend mit der Hand abgewehrt würde. Es wäre damit ein klares Tor verhindert worden. Dass beide Szenarien laut Regelwerk dennoch anders entschieden würden, entspricht aus meiner Sicht nicht mehr dem Sinn des Spiels (und der Regel), das ursprünglich ein striktes Verbot vorsah, den Ball mit der Hand zu spielen. 

Inzwischen ist es in Echtzeit häufig weder für Unparteiische noch für Spieler möglich, eine unzweifelhafte Entscheidung zu treffen. Absichtlich oder nicht absichtlich, aus kurzer Entfernung angeschossen oder nicht, aktive Bewegung zum Ball oder nicht und abprallender Ball oder nicht - es kann so vieles eine Rolle spielen oder zur nachträglichen Entscheidungsinterpretation herangezogen werden. Deshalb kann ein Schiedrichter mit seiner Entscheidung fast nur verlieren.

Christian Dingert hat heute eine mutige Entscheidung getroffen, er hat, so weit ich das gesehen habe, nicht den Kontakt zu seinem Assistenten gesucht und auch den betroffenen Spieler nicht befragt. Er muss sich also sehr sicher gewesen sein, dass seine Sichtweise richtig war. Ob er den Ablauf so gesehen hat, wie es in der Zeitlupe zu erkennen war, das bleibt offen. Vielleicht hat er die Szene auch falsch wahrgenommen. Er hat sich dazu nicht geäußert. 
Den einfacheren Weg wäre er gegangen, wenn er den Treffer nicht gegeben hätte, denn die Gladbacher Spieler hätten diese Entscheidung auch akzeptiert, wie man am verhaltenen Jubel von Stindl gesehen hat. Im Umkehrschluss heißt das, dass es eine sehr bewusste Entscheidung war, die ein Schiedsrichter nicht trifft, wenn er sich nicht zu 100 Prozent sicher ist.
Der Videoschiedsrichter, von vielen als Rettung des Spiels herbeigesehnt, hätte diese Szene im übrigen ebensowenig eindeutig klären können wie das Nachfragen des Schiedsrichters beim Spieler Stindl. Wie hätte sich unser Kapitän verhalten sollen? Gibt er zu, dass der Ball von der Hand ins Tor geht, nimmt der Schiedsrichter möglicherweise das Tor zurück, ohne den Rest der Szene (Brustkontakt) noch weiter zu erfragen. Auch dann wäre es eine Fehlentscheidung gewesen, für den unausweichlichen Fairplay-Preis hätte sich auf Borussenseite dann niemand etwas kaufen können. 
Ganz schwierig, dazu eine angemessene Einstellung zu finden.  

Und nicht zuletzt hat die Entstehung des Tores ja auch noch etwas mit vorangegangenen Ingolstädter Fehlern zu tun. Die Ecke wurde nicht gut verteidigt, Matip verlängerte den Ball unkontrolliert und am Ende hätte der Torwart auch die Möglichkeit gehabt, den Ball effektiver abzuwehren, indem er statt der flachen Hand die Faust genommen hätte. Das tröstet keinen auf der gegnerischen Seite, das will angesichts der "Ausrede" Handspiel auch keiner wissen, aber es gehört zur Wahrheit dazu.  

Dass Borussia das Spiel sonst auch gewonnen hätte, ist allerdings nicht sicher anzunehmen. Bislang haben sich Yann Sommer und Co. stets mit dem seltsamen "Fußball" der Schanzer schwergetan, so auch heute wieder. Aber sie haben sich gegen einen negativen Ausgang des Spiels wieder hervorragend gestemmt, mit einem hohen läuferischen Einsatz, kühlem Kopf in vielen Szenen und einem Torwart, der im entscheidenden Moment den Unterschied macht. Wie Sommer den tollen, kunstvoll selbst aufgelegten Schuss von Cohen parierte - Chapeau. Ein Tor wert gewesen wäre das schon. Wurde es aber nicht. Auch aus diesem Grund geht auch der Sieg in Ordnung, wenngleich er etwas glücklich zustande kam.

So sehr ich mir wünschen würde, dass ein unumstrittener Treffer den Sieg des VfL eingeleitet hätte, es ist nunmal anders. Wir können nach der Seuchenhinrunde auch gut damit leben, dass das nötige Glück sich auch wieder öfter auf unsere Seite schlägt. Entschuldigen muss man sich dafür nicht. 
Und wenn das Pendel gegen Ingolstadt ausschlägt, trifft es keine Falschen. Auch heute versuchte die Mannschaft von Maik Walpurgis ihre spielerischen Schwächen mit der bewährten Mischung aus gutem Forechecking, sehr hartem Einsteigen und viel unerzwungenem Bodenkontakt (man kann es auch Freistoßschinden nennen) zu kaschieren. Wenn sich ein Spieler wie Morales, der sich in der vergangenen Saison gegen Gladbach mit Fouls, Schwalben, Dirty talk und ständigem Lamentieren nachhaltig um den Preis für den unfairsten Spieler der Liga beworben hat, nach dem heutigen Spiel etwas von Fairness erzählt, muss ich schon ein bisschen lachen. 
Und wer Lars Stindl zu Fairness auffordert, sollte dies auch von der Ingolstädter Oberschwalbe Lezcano einfordern. Davon, dass die Schanzer ständig benachteiligt würden, war heute jedenfalls nicht viel zu sehen. Das 0:1 war zugegebenermaßen ein schwieriger Fall, aber ansonsten hat Christian Dingert heute auch viel Nachsicht mit den Mätzchen des FCI bewiesen. Alles gut also aus Rautensicht. Freuen wir uns also jetzt auf die nächsten Herausforderungen - auch wenn sie auf absehbare Zeit erstmal immer wieder gegen die gleichen Teams auf uns warten.


 
Bundesliga 2016/17, 22. Spieltag (26.2.17): FC Ingolstadt - Borussia Mönchengladbach 0:2 (Tore für Borussia: 0:1 Stindl, 0:2 Hahn)

2017-02-24

Angekommen in Europa

Ich. Bin. Fertig.

Schon vor der Partie hatte ich mich darauf eingestellt, heute eine erste Bilanz zu ziehen - ziehen zu müssen. Die Bilanz einer wiederum zwar erfreulichen europäischen Saison, in der Borussia manchen Großen geärgert hatte, an deren frühen Ende aber ein nicht unbedingt besserer Gegner dem VfL wieder etwas Entscheidendes vorausgehabt haben würde - den Erfolg.

Nach 15 hoffnungsfroh-verzweifelten Minuten mit erneut mehreren vergebenen Riesenchancen nahm auch diesmal das Unheil seinen Lauf, und es übertraf im Zustandekommen sogar noch meine Befürchtungen. 0:2 nach einer halben Stunde, durch einen doofen Konter und eine Slapstick-Einlage, dazu Hazard von den Italienern aus dem Spiel getreten. Was sollte da noch kommen - höchstens ein ehrenhafter Abgang vor dem erneuten Aus, und wieder schon im Sechzehntelfinale. 
Gut, vor der Halbzeit, als sich Stindl und Co wieder etwas gefangen hatten, gab es die Chance zum Anschluss, durch einen Elfmeter. Auch das noch. Aber Lars Stindl blieb cool, zum Glück. Das 1:2 erhielt die klitzekleine Chance aufs Weiterkommen. Sonst hätte man sich den Rest des Spiels auch fast schon schenken können. Irgendwann würde wieder ein Konter der Fiorentina sitzen, die Sache für die Violetten wäre endgültig geritzt und wir mit unserer Verzweiflung darüber allein...

In der Halbzeit schrieb ich einem Freund ein verzweifeltes "Womit haben wir das eigentlich verdient?" Ich bekam keine Antwort. Erst eine halbe Stunde später - da führte der VfL 4:2, die Antwort lautete: "Jetzt haben wir es verdient..." Wir alle hatten gerade wohl das irrste Comeback unserer Mannschaft gesehen. 
Ich jedenfalls kann mich an so ein Spiel nicht erinnern und ich bin schon vier Jahrzehnte Borussia-Fan. So wenig kann im Fußball zwischen maßlos ärgern und genießen liegen - wobei es bis zu letzterem noch harte Minuten waren. Nun bin ich eher platt als euphorisiert und schreibe mir immer noch ein wenig die Ungläubigkeit aus den Klamotten.

Klar, man könnte auch heute wieder viel analysieren - Taktik, Einzelleistungen, Reporterleistungen, was weiß ich. Aber wen interessiert das gerade? 
Wir haben einen Lars Stindl gesehen, der vielleicht das Spiel seines Lebens gemacht hat. Aber, und das ist das einzige, was ich in dieser Richtung heute loswerden will, es hat nicht nur Lars Stindl auf dem Platz gestanden. In Sky und Sport 1 ging es nur um die Leistung unseres Kapitäns - auf Torschützen reagieren Sportreporter nun mal reflexhaft. Ein bisschen ging es noch um das klaffende Luftloch von Jannik Vestergaard vor dem 0:2. 

Aber es gab heute elf Matchwinner. Und einer der Besten darunter war neben Stindl Jonas Hofmann, der von vielen schon lange als Fehleinkauf gesehen wurde und erst in den vergangenen Monaten langsam in die Spur fand. Schon in Glasgow machte er ein hervorragendes Spiel. Heute war er an allen vier Toren beteiligt: Mit der Flanke, die vor dem Elfmeter den gefoulten Patrick Herrmann erreichen sollte. Mit dem Eckball, der über Christensen und Drmic Lars Stindl vor die Füße fiel. Mit dem cleveren Freistoßquerpass vor dem 3:2 und mit einer feinen butterweichen Flanke auf Christensen zum Endstand, nach einem sehenswerten Lauf in die Tiefe am Strafraum. Das war bemerkenswert, und es lässt hoffen, falls nun Thorgan Hazard länger ausfallen sollte.
Das soll aber die Leistungen all der anderen nicht schmälern, die sich in jeden Ball, in jeden Zweikampf geworfen haben. Das heute war einfach eine tolle Mannschaftsleistung, ein Erfolgserlebnis, das verdient erkämpft und erspielt wurde. Es war das Gesellenstück einer hoch veranlagten Mannschaft, der man zutrauen kann, dass sie nun endlich richtig auf dem europäischen Fußball-Level angekommen ist. So gesehen: Willkommen in Europa, Borussia. Deine Fans spielen in der Liga schon ein bisschen länger, natürlich auch heute wieder.
 
Jetzt freue ich mich darauf, dass es noch ein bisschen weitergeht mit den englischen Wochen. Das ist der Bonus, den wir uns erhofft haben. Und den wir uns nach all dem unglücklichen Ausscheiden in der jüngeren Europapokalgeschichte auch mal verdient haben. Die Seele brennt....

Euro League, Sechzehntelfinale, Rückspiel (23.2.17): AC Florenz - Borussia Mönchengladbach 2:4 (Tore für Borussia: 2:1 Stindl, 2:2 Stindl, 2:3 Stindl, 2:4 Christensen)

2017-02-20

Ein Banner zum Schämen

Ich habe länger überlegt, ob ich auch etwas zum Thema Fanprotest gegen Red Bull etwas schreibe. Ich habe wie viele eine sehr kritische Meinung zu dem Konstrukt und der Arbeitsweise der Leipziger und sehe es als große Gefahr für die Liga und unseren Fußball. Aber ich halte nichts davon, alles in einen Topf zu werfen. Die Fans haben das Recht, RB-Fans zu sein, die Mannschaft hat das Recht, gut zu spielen. Und auch das Management kann so arbeiten, wie es arbeitet. Die Liga und der Verband erlauben es ja. Anfeindungen gegenüber Fans und Spielern sind mir aus diesem Grund zuwider. 

Ich bin deshalb auch stolz auf die sehr besonnene Reaktion unserer Borussenfamilie nach dem Unsinn von Dortmund. Stimmungsboykott, viele kritische und treffende Banner in der Nordkurve und der lautstarke Verweis auf die eigene Fanbasis und die Leidenschaft für unseren Verein, das war richtig toll gegen Leipzig.
Aber dann schaffen es ein paar Hohlköpfe mit einem einzigen Plakat, das alles in den Hintergrund zu rücken und alle VfL-Fans in ein schlechtes Licht zu rücken. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. 

Ich bin ein großer Freund der Arbeit von Ultras und anderen Fangruppierungen im Stadion, ich unterstütze Choreos und Aktionen auch gern mit einer Spende an Sotto. 
Es ist mir auch egal, wer hinter dem Spruch mit der geschmacklosen Anspielung auf die Steinewürfe der BVB-Idioten steht: Das war schlicht erbärmlich, dämlich und schadet allen Borussen: den Fans, die sich kritisch, aber anständig mit dem Brauseclub auseinandersetzen. Und dem Verein, der wahrscheinlich dafür die Quittung bekommt. 

Mehr noch frage ich mich bei solchen Vorkommnissen: Woher kommt dieser Hass? Können sich manche Menschen heute nicht mehr kontrollieren, wenn ihnen etwas nicht passt? Die Art "Auseinandersetzung", wie sie die Dortmunder mit Steinen und aggressiven Sprüchen geführt haben und das Banner in der Nordkurve heute erinnern doch sehr stark an die Gift und Galle spuckenden Pegida-Aktivisten, die für Argumente nicht mehr zugänglich sind und die für "Andersdenkende" nur noch blanke Feindseligkeit übrig haben. Würden sie sich so in Rage mal selbst beobachten - würden sie sich dann wohl auch mal für sich schämen?

Das war - in Anlehnung an meinen Text zum Spiel - eine weitere verpasste Chance. Schade.

Chance verpasst - verpasste Chancen

Der VfL hat heute eine große Chance verpasst, sich erstmals wieder näher an die vorderen Tabellenplätze heranzurobben. Das ist schade. Aber nach dem bisherigen Saisonverlauf ist es auch nicht verwunderlich, dass nun nicht alle Spiele gleich wieder mit Siegen enden. 


Mehr verdient gehabt hätten die Borussen heute zwar schon. Aber sie standen sich einmal mehr selbst im Weg - obgleich man ihnen vom Einsatz und dem Kampf bis zur lezten Sekunde ein großes Kompliment machen kann. Ebenso wie den Fans, die nach den ersten 19 ruhigen Minuten mal wieder so richtig Gas gaben, befördert durch die Wut über das nicht immer ganz gerechte Geschehen auf dem Rasen. Aber dazu später. 

Zunächst sollte man sich ja immer an die eigene Nase fassen. Und in dieser Hinsicht ist die Sache heute ziemlich klar. Die VfL-Defensive hat sich heute zwei durchaus vermeidbare Tore einschenken lassen. Beim 0:1 fehlte das kollektive Verteidigen, das Borussia in den Spielen zuvor defensiv so stark erscheinen ließ. Obwohl jeweils genügend Verteidiger in der Nähe waren, konnte Leipzig über mehrere Stationen ungehindert weiterpassen, Forsbergs Tor war dann die logische Folge eines kollektiven Fehlverhaltens, was wohl bei Hazard begann, der den in die Tiefe startenden Gegenspieler nicht mehr weiter verfolgte. Beim zweiten Tor fiel die Mannschaft ebenfalls in unter Hecking überwunden geglaubte Anfälligkeit zurück. Aus dem eigenen Einwurf heraus ging der Ball fast ohne Gegenwehr verloren, der schnelle Konter zeigte dann die Qualitäten, die den Aufsteiger auf Platz zwei gebracht haben.

Leipzig kam im ganzen Spiel eigentlich nur viermal gefährlich vor das Tor von Yann Sommer- zwei Schüsse parierte der toll, die anderen beiden waren drin. Diese Effektivität muss man so anerkennen. 

Die andere Seite der Medaille war - der komplette Gegensatz zu den Gästen - auf Seiten des VfL der erneut grausam schwache Ertrag eines recht guten Offensivauftritts. Wie am Donnerstag gegen Florenz scheiterte die Hecking-Elf an sich selbst. Wer einen Elfer vergibt und auch sonst im Ausspielen bestens vorbereiteter Angriffe im entscheidenden Moment die falsche Entscheidung trifft, darf sich nicht wundern, wenn er das Spiel nicht gewinnt. Das wissen die Spieler natürlich genauso, insofern bringt es auch nichts, einzelne an den Pranger zu stellen. Absichtlich macht das ja keiner. 
Aber einmal mehr bleibt der Ärger darüber, dass nahezu alle Spieldaten für die Borussen sprachen, nur die entscheidende, die mit den Toren nicht. Borussia lief mehr, hatte mehr Pässe und Torschüsse und eine bessere Passquote, deutlich mehr Ballbesitz und die bessere Zweikampfbilanz. Auch 8:3 Ecken standen am Ende zu Buche, unzählige Flanken in den Strafraum, die bis auf Jannik Vestergaards sehenswertes erstes Tor aber einmal mehr verpufften. 

Gäbe es noch eine dritte Seite der Medaille, dann würde sie heute allerdings auch von der Schiedsrichterleistung handeln. Die sportlichen Qualitäten der Leipziger sind ja inzwischen wohlbekannt. Die aus Ingolstadt bekannten "Tugenden", die Trainer Ralf Hasenhüttl offenbar auch seinen Spielern bei RB eingeimpft hat, allerdings auch. Und so verwundert es, dass ein Bundesligaschiedsrichter deren unsportliche Spielchen bei eigener Führung - hinwerfen, liegenbleiben, versuchen, Fouls und Karten für den Gegner zu ziehen - so einfach mitmacht. Natürlich, es wurden vier Minuten nachgespielt (was immer noch zu wenig war), und auch in der Nachspielzeit legte Felix Zwayer aufgrund des dreisten Zeitspiels der Gäste nochmal mehr als eine Minute drauf.
Mit klaren Ansprachen während des Spiels hätte man dem aber schon früh einen Riegel vorschieben können. Zumal auch die Foulquote der Gäste entsprechend hoch war, dass sich dies entsprechend dezimierend hätte auswirken können. So war das Spiel in dieser Beziehung heute genauso eklig wie in der vergangenen Saison die Partien gegen Ingolstadt oder Darmstadt. 
Noch eklatanter waren zwei ärgerliche Fehlentscheidungen. Der nicht gegebene Elfmeter in der ersten Hälfte beim Klammergriff gegen Vestergaard ist das Eine. Mich persönlich fuchst aber noch mehr, dass Zwayer beim Leipziger Keita so lange die mehr als verdiente zweite Gelbe Karte im Hemd stecken ließ, bis Hasenhüttl ihn gerade noch rechtzeitig vom Platz geholt hatte. Ich habe allein drei gelbwürdige Fouls Keitas gezählt, dazu die gegebene Karte wegen Meckerns. Und als er nach einem heftigen taktischen Foul im Mittelfeld eigentlich wirklich nicht mehr um die zweite Verwarnung herumgekommen wäre, lief der Angriff der Gladbacher dank der Vorteilsregel weiter, wurde dann von einem anderen Leipziger rüde gestoppt, der dafür Gelb sah. Keita jedoch, den der Schiri zuvor zwar als Übeltäter registriert hatte, kam wieder ohne Strafe davon. 
Und das war aus meiner Sicht kein Einzelfall. Liest man am Ende die Statistik, 4 Verwarnungen für den VfL und 3 für Leipzig, dann muss man sich schon fragen, ob hier mit gleichem Maß gemessen wurde. Ganz besonders, wenn man sieht, dass Oscar Wendt sehr früh verwarnt wurde, obgleich er nicht mal ein Foul begangen hatte, Chris Kramer Gelb für ein harmloses Allerweltsfoul kassierte und auch das Handspiel von Stindl nicht zwingend mit Gelb hätte bestraft werden müssen. 

Aber nochmal: Auch heute hat nicht der Schiedsrichter das Spiel entschieden, sondern die Spieler auf dem Platz. Er hat es allerdings einer Mannschaft schwerer gemacht als der anderen. Und das kann ich nicht leiden. Die Gladbachfans auch nicht, deswegen wurde es in der Schlussphase auch noch mal so richtig laut im Borussia Park. Das war zuletzt nicht immer so - und ich hoffe, dass mit dem neuen Spirit der Spieler auch die Fans wieder voll hinter der Mannschaft stehen, auch wenn es viel zu leiden gibt wie heute. 


Bundesliga, 21. Spieltag (19.2.17): Borussia Mönchengladbach - RB Leipzig 1:2 (Tor für Borussia: 1:2 Vestergaard)

2017-02-16

Überschattetes Feuerwerk

Soll man sich jetzt ärgern? Verzweifelt sein? Hoffnungsvoll über eine ziemlich gute Leistung auf internationalem Parkett? Oder den Fußballgott anklagen, der seine Launen offenbar immer wieder an Borussia abzureagieren scheint, wenn in Mönchengladbach mal die Chance besteht, international mehr als einen Achtungserfolg zu landen?

Es ist, wie es ist. Der VfL steht trotz eines über 75 Minuten hervorragenden Auftritts und einer geschlossen guten Mannschaftsleistung wieder vor dem frühen Aus in der Euro League. Gegen eine Mannschaft, die ohne nennenswertes Angriffspiel ein Spiel gewinnen kann, während die Hecking-Elf von zehn klarsten Chancen nicht eine zu verwerten versteht. Das frustriert, mich genauso wie es die Spieler frustrieren wird. Von den ersten Euro-League-Auftritten 2012 über die Champions-League-Erfahrungen ist bis heute ja eine stetige positive Entwicklung in Borussias Spiel zu sehen. Aber es zahlt sich einfach nicht in Resultaten aus. Trainer und Spieler holen sich verdienten Applaus und Schulterklopfen für die guten Leistungen ab, aber in der nächsten Runde stehen die anderen. Weil ihnen manchmal ein solcher Geniestreich reicht wie das Freistoßkunstwerk von Bernardeschi zum 0:1, nach einem so überflüssigen wie unglücklichen, aber berechtigten Foulpfiff gegen Kramer.

Dabei war die erste Halbzeit heute eine der reifsten Leistungen, die Borussia in der jüngeren Vergangenheit abgeliefert hat. Wieder einmal wurde ein renommierter Gegner im Borussia Park in arge Nöte und von einer Verlegenheit in die nächste gestürzt. Aber die ohne Zweifel verdiente Führung fiel nicht. In der zweiten Halbzeit gelang deutlich weniger, was nicht unbedingt ein Wunder war - mit dem Rückstand im Nacken und der zunehmenden Cleverness des Gegners, dem Spiel den Rhythmus zu nehmen und auch ungestraft Sekunde um Sekunde Spielzeit verbummeln zu können. Aber auch in der zweiten Hälfte war ein Ausgleich oder gar ein Sieg möglich und selbstredend wäre er verdient gewesen.
Nein, ich teile heute nicht mehr den Optimismus, dass der VfL die Serie im Rückspiel noch drehen kann, auch wenn es aus reiner Ergebnissicht nicht unmöglich ist. Notwendig wäre dazu eine eiskalte Chancenverwertung, starke Nerven vor einem sicher enthusiastischeren gegnerischen Publikum als es heute im Borussia-Park über weite Strecken schien (ich habe es nur im TV gesehen). 
Und nicht zuletzt braucht es dazu einen Schiedsrichter mit Format. Senor Manzano aus Spanien und sein Team haben natürlich nichts damit zu tun, dass die Gladbacher heute reihenweise hervorragende Chancen versemmelt haben. Schuld sind sie an der Niederlage nicht. Doch es fällt schon auf, dass die Unparteiischen in den Europapokalbegegnungen des VfL überdurchschnittlich häufig nicht ihren besten Tag erwischen.
Einen so klaren Elfmeter wie gegen Patrick Herrmann heute zu übersehen, dazu gehört schon etwas. Auf diesem Niveau sollte das nicht passieren. Zumal sowohl Schiedsrichter als auch der wieder einmal völlig unnütze Torrichter beste Sicht auf die Szene hatten. Dann verwundert die Kartenvergabe: Je eine Gelbe gab es auf beiden Seiten wegen nicht unbedingt aus dem Rahmen fallende Meckereien. Drei üble Tritte von hinten in die Beine von Herrmann und Hazard blieben dagegen ungeahndet. Und in einer zweiten Hälfte, in der die Gäste das Zeitspiel zunehmend als Stilmittel einsetzten, gab es nicht nur keine Ermahnung oder Verwarnung gegen einen oder mehrere trödelnde Spieler - auch in der Nachspielzeit schlug sich das nicht ausreichend nieder. Drei Minuten pünktlich abgepfiffener Bonus, von dem wiederum etwa 40 Sekunden dem Florentiner Zeitspiel zum Opfer fielen - das ist schon etwas absurd. Konsequente Spielleitung geht anders. Aber es passte dann eben auch wieder zu diesem Abend, an dem viel Gutes zu sehen war, das durch einen ärgerlichen Spielverlauf merklich überschattet wurde.

Euro League, Sechzehntelfinale, Hinspiel (16.2.17): Borussia Mönchengladbach - AC Florenz 0:1


2017-02-11

Viel Qualität und eine Dummheit

Man muss ja nicht immer viele Worte verlieren, wenn es nicht viel zu kritisieren gibt. Heute hat Borussia aus meiner Sicht ein sehr solides, fast schon herausragendes Auswärtsspiel gemacht - auch wenn wir bis zuletzt um den Sieg zittern mussten. Hätte Bremen das 1:1 gemacht, hätte sich der VfL nicht beschweren dürfen, dazu war die Mannschaft vorne nicht konsequent genug und erlaubte Bremen hinten ein paar Möglichkeiten zu viel. 
Dennoch gibt es keinen Zweifel daran, dass die bessere Mannschaft gewonnen hat - und zwar sichtbar durch ein Team, das sich wieder etwas zutraut, das füreinander kämpft, das sich von ein bisschen gegnerischem Druck nicht mehr so schnell umwerfen lässt oder gar den Kopf verliert.

An dieser mentalen Verbesserung hat der neue Trainer Dieter Hecking sicher großen Anteil, noch größeren aber hat die Mannschaft selbst, vor allem die Schlüsselspieler, von denen man diesen Qualitätssprung im Vergleich zur Hinrunde auch einfordern konnte und musste. 
Oscar Wendt war nicht erst heute einer der besten, Christoph Kramer schwang sich in Abwesenheit des Mittelfeld-Pfluges Lars Stindl zum Spielmacher und Ordner auf. Er machte gut, was bei Mo Dahoud bei allem Eifer noch danebenging. Patrick Herrmann bringt die benötigte Geschwindigkeit, Thorgan Hazard und Fabian Johnson Spielfreude, Entlastung und Zweikampf-Cleverness. Tony Jantschke, der sehr kühle (und wiedererstarkte) Andreas Christensen und der deutlich verbesserte Jannik Verstergaard behielten die Übersicht, auch gegen die stets gefährlichen Kruse, Bartels und Pizarro. Und Yann Sommer packt wieder entschlossen zu, wo es nötig wird. 

Das Spiel heute war kein spielerisches Highlight, aber es war ein großer Schritt aus der Krise. Es war eine Leistung, die zu neuer Hoffnung berechtigt, was den weiteren Saisonverlauf betrifft. Denn es festigt sich der Eindruck, dass die Mannschaft nicht nur einen flüchtiges Zwischenhoch auf den Trainerwechsel zeigt, sondern dass sie die Balance wiederfindet, die sie so stark gemacht hat.
Dies drückt sich auch in Zahlen aus - unbesiegt, fünf Siege (inklusive Pokal) und ein Unentschieden, dabei viermal zu Null gespielt. 9:2 Tore, zehn von zwölf möglichen Punkten in der Liga. Drei Bundesligasiege am Stück, davon zwei auswärts (mit Pokal gar drei), und das in Stadien (Leverkusen und Bremen), in denen es jahrzehntelang für Borussia nichts zu holen gab.
Aber am wertvollsten ist vielleicht die Tatsache, dass diese Bilanz ungeachtet der immer noch dramatischen personellen Situation gelang. Heute fehlten - nur von potenziellen Stammspielern - Elvedi, Kolo, Hofmann, Traoré, Raffael und Stindl. Ohne das komplette Offensivpärchen Raffael und Stindl hat der VfL glaube ich überhaupt noch nicht gespielt, seit der Kapitän von Hannover an den Niederrhein kam. Herrmann, Drmic, Strobl und Johnson kommen aus langen Verletzungspausen zurück und sind mit Ausnahme des heute sehr emsigen und intelligent aufspielenden Fabian Johnson noch nicht wieder bei 100 Prozent. Vor diesem Hintergrund ist der bisherige Ertrag aus der Rückrunde kaum hoch genug einzuschätzen.

Richtig ärgerlich war heute deshalb nur eine Sache - die unglaublich dumme 5. Gelbe Karte von Tobias Strobl. Dass ein Fußballprofi bei der Einwechslung den Platz betritt, obwohl der Ausgewechselte noch keine Anstalten gemacht hatte, sich auf den Weg zur Seitenlinie zu machen, ist selten dämlich. Ich habe das jedenfalls vorher noch nie gesehen. Dass Strobl, der nun wieder eine Alternative sein sollte und auch Spielpraxis braucht, gegen Leipzig fehlen wird, ist für mich einfach unverständlich. Den heutigen Sieg überschatten kann es es jedoch nicht. Ich gehe hochzufrieden in den Rest des Wochenendes - auch wenn ich jetzt doch wieder deutlich mehr geschrieben habe als ich eigentlich vorhatte.


Bundesliga 2016/17, 20. Spieltag (11.2.17): Werder Bremen - Borussia Mönchengladbach 0:1 (Tor für Borussia: 0:1 Hazard)

2017-02-08

Achtelfinalverwaltung

Ich weiß, es gehört sich nicht zu meckern, wenn man wie Borussia ein solch bescheidenes Halbjahr hinter sich hat und dann im DFB-Pokal - ersatzgeschwächt und auswärts - sehr souverän und ungefährdet ins Viertelfinale einzieht. Es ist völlig in Ordnung, dass Trainer und Spieler das Spiel als gelungen abhaken und als weiteren Schritt in die richtige Richtung, der weiteres Selbstvertrauen gibt. Das war es ja auch. Aber...

...es hätte heute Abend durchaus etwas mehr sein dürfen. Mehr konzentriert zu Ende gespielte Angriffe, mehr daraus resultierende Tore, weniger Leerlauf und weniger Rückpässe. Denn das Spiel wurde trotz schwungvollen Beginns des VfL nicht durch die Gladbacher Fußballkünste entschieden, sondern durch den groben Tritt gegen Christoph Kramer, der zurecht mit Rot bestraft wurde.
Auch wenn Fürth im Anschluss für ein paar Minuten sogar fast besser spielte als mit elf Mann - über die 70 Minuten in Unterzahl waren sie meist die Hasen, die zwischen den Hecking-Igeln erfolglos hin- und herrennen mussten. Und an diesem ungleichen Kampf berauschten sich die Spieler des VfL zunehmend, indem sie weitgehend risikolos, aber nicht ohne Schlampereien, eine wahre Passorgie feierten, das Ergebnis buchstäblich verwalteten und dabei das Hauptziel des Spiels, die Tore, zunehmend aus dem Blick verloren. Es war aus diesem Grund ein fast ärgerlich langweiliges, im Keim ersticktes Spiel. Und eine verlorene Gelegenheit für Spieler wie Drmic, Herrmann, Johnson und Hahn, sich durch Erfolgserlebnisse nach ihren verletzungsbedingten Pausen weiteren Auftrieb zu verschaffen. Geradezu ärgerlich, wie Dahoud und Hazard teilweise fahrlässig beste Angriffe durch schlechte Zuspiele in die Spitze zerstörten.

Auch wenn es souverän war - es war ein Muster ohne Wert. Gegen zehn Mann, die den Borussen zudem weder spielerisch noch kämpferisch gewachsen waren, bleibt letztlich der trügerische Eindruck eines dominanten Spiels hängen. Einsatzwille, Zweikampfverhalten, und Lauffreude - all das stimmte. Das allein bedeutet aber nicht, dass Kramer und Co. schon wieder auf Europapokal-Niveau wären.
Gegen Bremen reicht eine solide Leistung wie heute sicher nicht zu Punkten, gegen Florenz wohl auch nicht. Selbst bei eigenem Ballbesitz waren heute noch deutliche Wackler zu sehen, unnötige Quer- und Rückpässe, die die eigenen Mitspieler in Probleme brachten. Und natürlich vorne die Großzügigkeit im Auslassen von Torchancen. All das wird in der Bundesliga konsequent bestraft. Und so viele Räume und Abstand zu den ballführenden Spielern gibt es da natürlich auch nicht. Aber das sollten die Betroffenen ja am besten wissen.

So - nachdem ich das losgeworden bin, freue ich mich dann jetzt auch über den verdienten Viertelfinaleinzug. Und hoffe, dass dort nicht Endstation sein wird.


DFB-Pokal 2016/17, Achtelfinale (7.2.17): SpVgg Greuther Fürth - Borussia Mönchengladbach 0:2 (Tore für Borussia: 0:1 Wendt, 0:2 Hazard FEM) 

2017-02-04

Grober Klotz und feines Florett

Es wurde Zeit, dass sich was dreht. Drei Spiele unbesiegt, sieben Punkte im Sack - da kann man wahrlich nicht meckern. Aber so schön und befreiend das 3:0 heute war: Es bewies einmal mehr, dass Borussia in dieser Saison auf einem schmalen Grat unterwegs ist - man kann leicht abrutschen und trotz passabler oder guter Leistung verlieren, wie in einigen Spielen in der Hinrunde. Man kann aber auch den Ertrag einfahren, ein wenig glücklich wie vor einer Woche in Leverkusen oder auch deutlich zu hoch wie heute.

Es ist einiges zu verbessern, doch was die ersten Spiele gezeigt haben, ist, dass der VfL nicht mehr so leicht auseinanderfällt nach Nackenschlägen. Diese Nervenstärke, der zurückgekehrte Glaube an die eigenen Fähigkeiten, daran hat sicher der neue Trainer einen großen Anteil. Genauso wie an der Einstellung, um jeden Ball zu kämpfen und sich zur Not auch minutenlang mit aus der eigenen Hälfte herausgedroschenen Bällen über die Zeit zu retten. Hinter dem 3:2 in Leverkusen und dem heutigen 3:0 steckt sehr viel aufreibender Einsatz und auch wieder mehr Spielwitz - auch wenn der heute phasenweise wieder in brotloser Kunst zu versanden drohte. Borussia hat sich gleichwohl diese Punktausbeute nach der Winterpause redlich verdient.

Das liegt an der klaren taktischen Ausrichtung, mit der Hecking die Mannschaft stabilisiert hat, und auch daran, dass sich viele Spieler deutlich gesteigert haben. Dahoud, Kramer, Stindl, Christensen, Jantschke, mit leichten Abstufungen auch Oscar Wendt (heute einige verlorene Duelle), Yann Sommer (bei Flanken heute zu passiv) und Thorgan Hazard (oft zu kompliziert) - alle zeigen ansteigende Form. Dass Johnson (heute mit guten Szenen vor allem mit der Einleitung zum wichtigen 1:0), Drmic und Patrick Herrmann noch Zeit brauchen, ist nicht überraschend. Aber sie stehen zumindest wieder als Alternativen zur Verfügung. Das ist wichtig, weil weiterhin Stammspieler fehlen und sich ja nun auch der zuletzt sehr gefällige Jonas Hofmann noch verletzt hat.

Bleiben drei "Sorgenkinder". Raffaels Leistung war heute trotz seines wichtigen Treffers wieder eher überschaubar. Seine Standards sind ohne Wirkung, in vielen Szenen fehlt ihm die Leichtigkeit, die Selbstverständlichkeit, die ihn sonst auszeichnet. André Hahn bemüht sich, Anschluss zu finden, doch zu seiner Form der vergangenen Saison, aber auch der aus der "Glasgow-Phase", fehlt ein ganzes Stück. Hätte Hofmann nicht passen müssen, wäre er heute sicher zu Beginn auf der Bank gewesen.
Und Jannik Vestergaard kämpft einen zähen Kampf, um sich in Borussias Team endlich nahtlos einzufügen. Er bestreitet viele Zweikämpfe, wirft sich tapfer rein, versucht den Spielaufbau zu ordnen. Doch vieles ist noch fehlerhaft. Auch er würde sicher eine Pause bekommen, wenn es derzeit ernste Konkurrenz auf der Position gäbe. Aber Kolo, Strobl und Elvedi sind verletzt, deshalb spielt der Däne, auch wenn er bisweilen in arge Probleme gerät. Gegen Leverkusen stand er beim 0:1 gegen Tah erschreckend schlecht postiert, manche Luftduelle bestreitet er im Timing nicht optimal oder verliert sie trotz seiner überragenden Länge. Und immer wieder lässt er sich - wie heute - auf die Außenbahn herauslocken (oder muss dort Fehler anderer ausbügeln), nur um sich dann an der Seitenlinie zu leicht ausspielen zu lassen und nur noch die Hacken der wendigeren, schnelleren Gegenspieler zu sehen. In allen drei Spielen in diesem Jahr gab es diese Szenen und in allen drei Spielen wurden sie nur durch Glück nicht zu Gegentoren.

Hier muss Dieter Hecking möglichst schnell Detailarbeit leisten. Dass die Ideen des Trainerteams relativ schnell Früchte tragen können, sieht man an den Ergebnissen, an der Laufstärke (Kondition), der klareren defensiven Ausrichtung und auch bei verbesserten Standards.
Was auffällig ist: Der VfL beherrscht im Moment sowohl das Stilmittel des groben Klotzes - den robusten Zweikampf-, als auch das des "Nadelstichs" mit dem bekannt feinen Florett -, was unter anderem beim sehenswert herausgespielten 2:0 zu bewundern war.
Über den Berg ist das Team damit aber noch lange nicht. In jedem Spiel muss so gestrampelt, gerannt und gekämpft werden wie in den beiden zurückliegenden. Lässt die Mannschaft nur kurz nach, ist sie sofort in Gefahr, wie die beiden Gegentore von Bayer und einige heikle Szenen im eigenen Strafraum heute gezeigt haben. Der SC Freiburg war ehrlich gesagt an diesem Tag auch sehr zuvorkommend. Er hat uns zwar einmal mehr die vorhandenen Schwächen in der Defensive aufgezeigt, vor allem bei geradlinigen schnellen Kontern über wenige Stationen. Und er hat Stindl und Co. zum Laufen gebracht und ihnen in den Zweikämpfen alles abverlangt. Und das, ohne am Ende die auch für die Gäste in Reichweite befindlichen drei Punkte einzusammeln.

Schon wieder Richtung Euro-League-Plätze zu schielen, das wäre genauso falsch wie alles an der Hinrunde schlecht zu finden. Sollte Hecking mit der Mannschaft weiter so fleißig punkten, dann könnte man im Endspurt der Saison vielleicht noch mal in die Reichweite von Platz 5 oder 6 kommen. Doch dazu müssen auch die anderen Teams "mitspielen". Viel wichtiger ist es jetzt deshalb, den Blick von der Tabelle zu lassen, jeden Spieltag so anzugehen, dass man sich zunächst mal genügend Abstand zu den Abstiegsplätzen verschaffen kann. Sechs Punkte auf Platz 16 sind ein Anfang, aber nichts, worauf man sich ausruhen darf. Zwei, drei erfolglose Spiele - und schon hängt man wieder mittendrin.

Allerdings sind offenbar Einstellung und Zusammenhalt im Verein und im Team vorbildlich. Wenn man sieht, wie die ganze Mannschaft nach dem 3:0 auf den zuletzt so leidgeprüften Patrick Herrmann zugelaufen ist und sich mit ihm gefreut hat (tolle "Vor-Vorlage" übrigens von Josip Drmic), macht das Mut, dass diese Mannschaft so schnell nichts mehr auseinanderbringt. Und das ist die beste Basis, die man für gemeinsame Erfolge haben kann.

Bundesliga 2016/17, 19. Spieltag (4.2.17): Borussia Mönchengladbach - SC Freiburg 3:0
(Tore für Borussia: 1:0 Stindl, 2:0 Raffael, 3:0 Herrmann)